Wie und wann sind Sie das erste Mal mit dem Thema Open-Access-Publizieren in Berührung gekommen?
Prof. Metzler: Im Prinzip fast schon unfreiwillig. Ich weiß nicht wann das war, irgendwann 2002/2003 habe ich mein erstes Paper im New Journal of Physics veröffentlicht. Das Journal war damals ganz neu rausgekommen. Man hat für die referiert und dann einen Voucher bekommen, mit dem man dann bei ihnen open access veröffentlichen konnte. Damals war das lang außen vor, da wir dafür nicht die Ressourcen gehabt haben und auch das Bewusstsein für OA nicht da war.
Warum in den Naturwissenschaften noch immer ein relativ geringer Teil open access publiziert, ist eine gute Frage – Beim New Journal of Physics beispielsweise kommt einfach beides zusammen. Ich halte es für ein sehr gutes Journal, ich veröffentliche da sehr gerne und es ist open access. Aber ich glaube, in den Naturwissenschaften haben wir noch relative starke Verbindungen zu den non-Open Access-Society-Journals: zu Physical Review, zu allen IOP-Zeitschriften, in manchen Gebieten Physical Chemistry Chemical Physics. Ich glaube, diese Bindungen zu traditionellen Journals und deren Lesern sind bei uns noch ziemlich ausgeprägt.
In meiner Fakultät bin ich jemand, der relativ viel open access veröffentlicht. Das ist dem Umstand geschuldet, dass die Kosten pro Artikel bei den Journals, in denen ich open access veröffentliche, nicht über 2000 € liegen und so über den DFG-Publikationsfonds gefördert werden können. Das ist schwierig bei anderen Journals. Beim Physical Review X sind das bereits 3500 €, eher noch steigend, exorbitante Preise. Wir brauchen da von Springer Nature gar nicht zu sprechen: da geht es um ganz andere Dimensionen – klar freut sich jeder, ein Nature-Paper zu haben – aber das sind schon enorme Kosten.
Und wir sollten nicht nur von Europa sprechen: Es gibt viele Länder, in denen sich die Autoren solche Veröffentlichungen nur leisten können, wenn sie sich trauen zu fragen, ob sie nicht kostenlos veröffentlichen dürfen. Denn erstaunlicherweise lassen die Verlage ziemlich mit sich verhandeln. Mit solchen Kosten ist dann OA aber zu einem Grad zweischneidig für mich.
Wann haben Sie zum ersten Mal open access veröffentlicht?
Prof. Metzler: Ich glaube, das erste Mal war 2003. Zuerst, weil wir diesen Voucher gehabt haben und dann mit ganz großen Lücken. So richtig angefangen hat das dann mit meinem Wechsel nach Potsdam, denn in München hatte ich keine Gelder dafür gehabt.
Die Möglichkeiten open access zu publizieren sind für Sie also mit dem Publikationsfonds an der Universität Potsdam gestiegen?
Prof. Metzler: Absolut. Auf der anderen Seite gab es eine Zeit lang ein Agreement mit der Royal Society of Chemistry. In Soft Matter und PCCP haben wir über diese Schiene auch einige Open-Access-Artikel veröffentlicht. Und nun die ersten in IOP, The Journal of Physics – A, wo man diese hybriden Journale hat. Aber klar ist, wenn es Geld kostet, müssen die Fonds unterstützen. Und insbesondere wir als Theoretiker haben relativ geringe Publikationsmittel aus Projekten zur Verfügung.
Es ist wirklich zweischneidig. Ich mag das Open Access, weil jeder "draufklicken" kann. Es ist aber auch immer verbunden mit der Qualität des Journals.
Was ist Ihre größte Motivation, wissenschaftliche Artikel im Open Access zu veröffentlichen?
Prof. Metzler: Ich denke, die Verfügbarkeit für jeden zu jeder Zeit. Das ist einfach so. Aber auch aus "Selfmarketing" – die Papers sind von den Downloads deutlich höher. Gleichzeitig gibt es bei uns attraktive OA-Journals, wo man sowieso die Papers veröffentlicht, die sozusagen die Visitenkarten darstellen.
Sie meinen also, dass die OA-Journals es geschafft haben, sich auf dem "Reputationsmarkt" einen Platz zu erkämpfen und sichtbar zu sein.
Prof. Metzler: Absolut. Das New Journal of Physics hatte ein Kollege von mir aus Ulm – damals einer meiner Profs – mitbegründet, und das hat am Anfang auch Zeit gebraucht, bis das akzeptiert war. Dann war es eine Zeit lang genau dieses „Quantum-Journal“, in dem die Quanten-Optik-Community veröffentlicht hat. Auf einmal hatte es das Journal dann geschafft. Das New Journal of Physics hat sich zu einem sehr akzeptierten Journal entwickelt. Physical Review X als OA Journal gehört heute zu den am höchsten bewerteten Physics Journals. Aber in jedem Fall bestimmt nicht nur OA die Reputation, sondern auch die editorielle Arbeit.
Welche Hürden sehen Sie gegenwärtig für das Open-Access-Veröffentlichen?
Prof. Metzler: Als Autor kann ich da auch für alle meine Kollegen sprechen: Es ist eine Geldfrage, ganz klar. Wenn wir davon ausgehen, dass wir im Durchschnitt vielleicht 15 Papers pro Jahr produzieren, dann kann ich nicht alle aus meinen eigenen Töpfen open access bezahlen, das geht einfach nicht. Darüber sind sich sicherlich auch die DFG und alle anderen im Klaren. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder skaliert man die Zahl der Veröffentlichungen herunter – das halte ich für illusorisch, weil ein Wettkampf stattfindet und die Leute natürlich über die Veröffentlichungen bei Stellenbewerbungen beurteilt werden. Bei allen seinen Studenten will man ja schon, dass sie mit einer Veröffentlichung abschließen, auch um ihrer Karriere willen. Oder man setzt beim Preis an.
Wir sprechen hier von relativ billigen Journals – irgendetwas zwischen 1200 € und 1300 €. Und wir wissen ganz genau, da gibt es auch ganz andere Preise. Ich bin schon schockiert, wie teuer mittlerweile Communications Physics oder Physical Review X geworden sind: Das ist exorbitant. Ich habe immer die Befürchtung, dass wir hier ungleiche Welten erschaffen. Deshalb halte ich solche Fonds, wie die DFG sie unterstützt, für sehr, sehr wichtig.
Wie sehen Sie die Förderkriterien des Publikationsfonds? Was sollte dort ggf. angepasst oder verändert werden?
Prof. Metzler: Bei den hochpreisigen Journals: Ich glaube nicht, dass wir da so viele Veröffentlichungen in Nature oder ähnlichen in der Fakultät oder der Universität haben; dass eine Teilförderung so viel Ersparnis brächte. Jedoch bin ich mir da nicht ganz sicher. Ich hätte mir schon gewünscht, dass wir bei den Physical Review X eine Teilförderung bekommen hätten, denn 3500 € schneiden in den eigenen Haushalt rein. Oder wenn man die Möglichkeit hätte, dass man die Kosten mit anderen Kollegen teilen kann. Es bisschen mehr Flexibilität wäre schön, denn ich vermute, dass dies nicht wesentlich den Publikationsfonds belasten würde. In anderen Fächern habe ich keinen Einblick, aber die allgemeine Frage müsste doch lauten: Warum haben andere Fakultäten höhere Open-Access-Anteile? Haben die weniger starke Journalbindungen? Oder ist das bei denen einfach viel billiger?
Können Sie einschätzen, wie groß der Open-Access-Anteil bei den Artikeln ist, die Sie gerade für Ihr gegenwärtiges Projekt lesen und/oder zitieren?
Prof. Metzler: Was ich von anderen Leuten lese, da ist Open Access immer noch sehr gering – 15%. So lange es den Publikationsfonds gibt, ist bei mir ein relativ hoher Anteil von Open Access dabei – knapp die Hälfte. Das ist aber, glaube ich, zumindest in meinem Fach überdurchschnittlich. Die Loyalitäten zu den eingeführten Journals sind immer noch größer, als der Open-Access-Drang. Man guckt doch meistens, wo haben andere etwas ähnliches veröffentlicht. Was bei uns in der Physik allerdings noch anders ist, wir haben den Preprintserver arXiv Ich habe zwar ein paar Kollegen, die sich sträuben, dort zu veröffentlichen, ich setze in der Regel aber das meiste auf arXiv, denn das ist im Prinzip auch eine Art von Open Access. Das mögen manche Journals zwar nicht, ich habe jedoch noch von niemandem gehört, dass die Journals das monieren würden.
Kennen Sie in Ihrem Bereich Open-Access-Journals, die sich nicht über Autorengebühren (APC) finanzieren, sondern von Institutionen getragen werden, sogenannte Diamond OA-Journals?
Prof. Metzler: Nein, ich höre das nun gerade zum ersten Mal.